Psychosozialer Stress kann „gefäßtoxisch“ wirken
An der Universität Bern am Lehrstuhl für Somato-Psychosoziale Medizin wurde der Wissensstand zu psychosozialem Stress und kardiovaskulärem Risiko zusammengefasst.
Neben vielen bekannten Risikofaktoren für Erkrankungen, die Herz und Gefäßsystem betreffen, lassen Daten der INHEART-Studie annehmen, dass durch psychosoziale Faktoren das Herzinfarktrisiko um rund ein Drittel erhöht werden kann.
Um Stress genauer definieren und differenzieren zu können, wurde ein wissenschaftliches Modell zu integrativen Stress entwickelt, das „integrative Stress-Modell“, welches zwischen fordernden Umwelt-Situationen, den „Stressoren“ und der Antwort einer Person auf diese Stresssituation, die „Stressreaktion“ unterscheidet. Lebensumstände können oft als Stressoren gesehen werden, wenn die Bewältigung (Coping) der Stressoren als Bedrohung oder Krise empfunden wird.
Nicht nur negative Lebensereignisse, wie Arbeitslosigkeit oder der Verlust des Partners, sondern auch negative Gemütszustände, wie Depressionen und Hoffnungslosigkeit sind Stressantworten und erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Geforscht wurde bisher zur koronaren Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, nach operativen Eingriffen, wie Bypass-OP und Schrittmacherimplantationen. Durch besonders schweren emotionalen Stress werden sogenannte Stress-Kardiomyopathien hervorgerufen (Takostubo-Kardiomyopathie, Broken-Heart-Syndrom).
Ein komplexes Zusammenspiel dieser Stressoren lösen dabei eine neurobiologisch angetriebene Stressreaktion aus, die sich über kognitive, affektive, Verhaltens- und physiologische Domänen erstrecken und alle direkt und/oder indirekt zu kardiovaskulären Erkrankungen beitragen.
Dabei übernimmt das Gehirn eine wichtige Funktion. Es sorgt für Bewertung und Coping-Strategien, z.B. Vermeidung oder problemfokussierte Bewältigung.
Kategorisiert wurde in: Anforderungen aus der Umwelt (Belastung durch Arbeit, Familie) und modulierende Faktoren, wie frühere Stress-Erfahrungen, Persönlichkeit und soziale Unterstützung. Das Gehirn übernimmt physiologische Reaktionen, wie u.a. die Regulierung von Katecholaminen, Kortisol, Blutdruck und Entzündungen; kognitive und affektive Verhaltensreaktionen sind Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten, Ängste, Erschöpfung und Depressionen. Als Beispiel für Verhaltensreaktionen gelten Rauchen, schlechte Ernährung, Gewichtszunahme, verminderte körperliche Aktivität und Schlafstörungen.
Näher beleuchtet wurde außerdem der Einfluss einzelner psychosozialen Risikofaktoren, welche Mechanismen die Faktoren mit dem kardiovaskulären Risiko verknüpfen und welche therapeutischen Möglichkeiten sich daraus ableiten lassen.